Ein Artikel aus Der Trakehner / Ausgabe April 2021:

Novellierung des Körsystem – von Neel-Heinrich Schoof


Interview mit Dr. Klaus Miesner

Die neuen Leitlinien für Tierschutz im Pferdesport sind inzwischen in Kraft getreten. Wie wirkt sich das nun auf die Junghengstkörungen der Zukunft aus? Darüber haben wir mit Dr. Klaus Miesner gesprochen, dem Leiter der FN-Abteilung Zucht.

St.GEORG: Nun sind die neuen Leitlinien zum Tierschutz im Pferdesport in Kraft. Eigentlich könnten demnach keine zweieinhalbjährigen Hengste mehr zur Körung vorgestellt werden – zumindest nicht, wenn sie vor den Vorauswahlen auch vorbereitet werden sollen. Wie wird das denn nun gehandhabt?

Dr. Klaus Miesner: Die Zuchtverbände haben sich unter dem Dach der FN ausführlich mit den Inhalten der neuen Leitlinien auseinandergesetzt. Eine Arbeitsgruppe hat das bisherige Körsystem hinsichtlich Anforderungsumfang, Vorbereitungsintensität und Art der Präsentation bei Vorauswahlen und Körungen hinterfragt. Im Ergebnis sind vier zeitlich und inhaltlich unterschiedliche Szenarien für die zukünftigen Körungen entwickelt und notwendige Konsequenzen mit Blick auf die Leitlinien zusammengetragen worden. Konkret geht es um folgende vier Szenarien, die sich alle hinsichtlich Zeitpunkt und Anforderungen voneinander unterscheiden, beginnend bei einer Herbstkörung von Zweieinhalbjährigen an der Hand (Herbst I: Zeitpunkt frühestens ab November und keine Teilnahme von im Juli oder später geborenen Hengsten), einer Frühjahrskörung von Dreijährigen an der Hand (Frühjahr I), einer Frühjahrskörung von Dreijährigen unter dem Sattel (Frühjahr II: Zeitpunkt frühestens ab April) sowie einer Herbstkörung von Dreijährigen unter dem Sattel. Auf dieser Basis werden die Zuchtverbände nun ihre Entscheidungen in ihren Gremien treffen.

St.GEORG: Unseren Informationen nach gibt es bei den Verbänden sehr unterschiedliche Pläne. Welche sind das und wieso konnte man sich da nicht einigen?

Dr. Klaus Miesner: Nach einer ersten Umfrage bei den Zuchtverbandsvertretern in der Dezembersitzung 2020 hat sich für mich auch ein unterschiedliches Meinungsbild ergeben. Zu dem Zeitpunkt waren die meisten Verbände allerdings noch in der Diskussion. Zum jetzigen Zeitpunkt kann die FN deswegen nicht genau sagen, welches Szenario von welchem Verband umgesetzt werden wird. Wir wissen aber, dass alle Varianten im Gespräch sind: von der Verschiebung um wenige Wochen bis zur Verschiebung um ein Jahr. Die auf demselben Markt konkurrierenden Zuchtverbände können und wollen die Zuchtverbände für das eigene Zuchtprogramm ihre Entscheidung selber treffen.

St.GEORG: Was wäre der Vorschlag der FN?

Dr. Klaus Miesner: Grundsätzlich sind aus Sicht der FN alle vier Szenarien geeignet, sofern die Regelwerke und Richtlinien der FN sowie die Leitlinien des BMEL beachtet und eingehalten werden. Bei den Szenarien Herbst I (Körung an der Hand) und Frühjahr II (Körung unter dem Sattel) ist natürlich besondere Sorgfalt und Achtsamkeit gefordert, damit Überlastungen körperlicher und psychischer Art bei den jungen Hengsten unterbleiben. Deswegen waren sich die Zuchtverbände beim Szenario Herbst I einig, dass es neben der zeitlichen Verschiebung auf frühestens November auch einer Reduzierung der Inhalte und Intensitäten bei den Vorauswahlen und der Körung bedarf und ein Umdenken bei der Durchführung und für die Vorbereitung von Körungen erfolgen muss. Idealerweise lassen sich bei einer Körung die natürlichen Anlagen eines Hengstes und dessen Genetik in Bezug auf die gewünschten Leistungsmerkmale möglichst genau erfassen. Die Herbstkörung früherer Jahre war eher eine „Exterieurkörung“ mit erster Einschätzung des Bewegungsablaufes im Schritt und Trab, bei der sich die qualitative Eignung als Reitpferd häufig nur sehr ungenau vorhersagen ließ. Über die Jahre wurde das Körsystem deswegen immer wieder überdacht. Die Abläufe beim Freilaufen und beim Freispringen wurden verändert und auch das Longieren wurde hinzugenommen. Alle Maßnahmen zielten darauf ab, ein genaueres Bild über die qualitative Veranlagung des Hengstes als späteres Reitpferd zu bekommen. Gleichzeitig veränderten sich allerdings auch Art und Umfang der Vorbereitung der Hengste. Damit wurde die Beurteilungsgenauigkeit wieder geringer, weil die tatsächliche Qualität oftmals durch die perfekte Vorbereitung und Präsentation überdeckt werden konnte. Insofern gibt es sicher gute Argumente dafür, potentielle Vatertiere in der Reitpferdezucht erst unter dem Sattel zu selektieren. Allerdings wird auch dann die Vorbereitung und der Reiter einen Einfluss auf die Vorhersagegenauigkeit haben. Gekörte Hengste gelangen bestenfalls erst dann in den Deckeinsatz, nachdem sie ihre Eignung als Reitpferd unter dem Sattel unter Beweis gestellt haben. Das ist vorstellbar durch eine Kombination einer Körung an der Hand mit anschließender Veranlagungs- oder Sportprüfung oder eben auch in Form einer Körung unter dem Sattel, bei der sich beides miteinander kombinieren lässt. Bei beiden Varianten kommt der Verantwortung für das junge Pferd eine besondere Bedeutung zu. Aus diesem Grund wurde bei der Erarbeitung der vier Szenarien neben der Frage nach dem „wann“ auch immer die Frage nach dem „wie“ hervorgehoben. Angefangen bei der Haltung der jungen Hengste im Vorbereitungsstall, bei der gleichzeitig für ausreichende Möglichkeiten zur freien Bewegung zu sorgen ist. Bis hin zu Art und Umfang von Ausbildung und Training während der Vorbereitung, die altersangemessen und maßvoll erfolgen müssen. Ebenso ist bei der Überprüfung der Beurteilungsmerkmale bei der Körveranstaltung, egal ob an der Hand oder unter dem Sattel, darauf zu achten, dass die natürlichen Anlagen des jungen Hengstes erkennbar bleiben. Durch altersangepasste Aufgabenstellungen sind Überlastungen auszuschließen und unnatürliche Bewegungsabläufe strikt zu kontrollieren und zu sanktionieren.

St.GEORG: Es handelt sich ja „nur“ um Leitlinien, also nicht um Gesetze. Was aber, wenn sich Protagonisten nicht an die Leitlinien halten? Welche Folgen könnte das haben?

Dr. Klaus Miesner: Die FN ist davon überzeugt, dass sich alle Zuchtverbände ihrer Verantwortung und über das bei einer Junghengstkörung entstehende Spannungsfeld von züchterischer Selektion, Tierschutz und Vermarktung bewusst sind und in irgendeiner Form handeln werden. Alle Verbände waren sich schließlich einig, dass etwas passieren muss. Das Nicht-Einhalten von Leitlinien könnte zur Folge haben, dass von behördlicher Seite vermehrt Kontrollen durchgeführt werden. Allen Zuchtverbänden muss bewusst sein, dass sie mit der Körung unter Beobachtung stehen – von außen, aber auch von innen, also durch andere Verbände, Züchter, Reiter und potentielle Käufer. Insofern ist die FN zuversichtlich, dass der im letzten Jahr teilweise schon beschrittene Weg eines strengeren Hinsehens, was die Vorbereitung und Präsentation der Hengste betrifft, erst der Anfang war. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Klaus Miesner ist Geschäftsführer des Bereichs Zucht unter dem Dach der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN).

Quelle: St. Georg, veröffentlicht


 Lars Gehrmann zum Körmodus – Keine leichte Entscheidung

Aufgrund der neuen Leitlinien des Bundes zum Ausbildungsbeginn junger Pferde werden fast alle Zuchtverbände in Deutschland ihren Körmodus im Jahr 2022 umstellen. Das planen auch die Trakehner. Die Diskussionen zu diesem Thema werden zur Zeit geführt in den beiden Vorständen und in den Delegiertenkonferenzen der Zuchtbezirke per Video, teilweise mit Zuschaltung der Zuchtleitung. Ende Januar gab es in Göttingen eine Kombination aus Präsenz- und Videositzung der Zuchtgremien (Zuchtausschuss, Körkommission, Stutenkommission, Sportkommission) und einer Zahl von Hengsthaltern, die sich diesem Thema intensiv und ausschließlich widmete. Aus den Erfahrungen dieser Diskussionen lässt sich schließen, dass eine Entscheidung nicht leicht herzuleiten ist, vielfach auch abhängig ist von Faktoren, die der Trakehner Verband nicht beeinflussen kann und am Ende wird sie von allen Beteiligten, das heißt Züchtern, Besuchern, Ausstellern, Interessenten und den Veranstaltern Kompromisse fordern. Folgende Thesen lassen sich nach dem Stand der Diskussion bereits mit hoher Übereinstimmung festhalten:

  • Es herrscht Einigkeit, dass sich etwas ändern muss, aber dabei darf nicht nur die Frage nach dem „Wann“ im Vordergrund stehen, sondern noch mehr die Frage nach dem „Wie“.
  • Zum „Wie“ gehören die Schaffung von Leitfäden, Regeln und Sanktionen zur Überwachung der Vorbereitung und Durchführung der Körungen von Hengsten in Zusammenarbeit mit der FN und möglichst im Schulterschluss der Zuchtverbände.
  • Hinsichtlich der geforderten Durchführung agiert der Trakehner Verband jetzt schon relativ nah an der Praxis der Leitlinien, weil die Züchter für ihre Hengste die Möglichkeiten haben, zwischen Herbst (Oktober), Frühjahr (Februar) und Sattelkörung dreieinhalbjährig (Oktober) zu wählen. Weil kein Longieren der Hengste gefordert wird, weil das Freilaufen der Hengste großzügig und separat durchgeführt wird und weil die Diskussion um Hengste, die zum Freispringen präpariert werden, bei den Trakehnern so gut wie keine Rolle spielt. Diese Optionen sollten den Züchtern für ihre Hengste erhalten bleiben.
  • Eine Sattelkörung im Frühjahr wird als zu früh erachtet. Deshalb sollte eine Körung an der Hand spätestens bis Februar stattfinden, weil die Aussteller sonst unter dem Vermarktungszwang des Reitens der Junghengste stehen. Das soll verhindert werden.
  • Deshalb wäre beim „Wann“ zu entscheiden zwischen November/Dezember (Adventskörung) oder Januar/Februar.
  • Die Terminwünsche des Trakehner Verbandes brauchen die Zustimmung der Holstenhalle und mindestens eines weiteren hippologischen Mitveranstalters, um die Mietkosten und den Finanzaufwand der Bodeneinbringung in die Holstenhalle zu reduzieren.
  • Zu den Grundbedingungen gehört, dass der Zeitpunkt und das Verfahren abgestimmt sein müssen mit den zuständigen Behörden.
  • Der Trakehner Hengstmarkt ist mehr als nur die Körung und deshalb sind neben den Auktionen, weiteren Wettbewerben und dem Galaabend viele verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, die Einfluss auf das Gelingen der Gesamtveranstaltung haben.
  • Von der Diskussion um den Körmodus und den Terminverschiebungen wird auch das HLPSystem
    betroffen werden. Eine Prüfung der dreijährigen Junghengste im Frühjahr erscheint
    kontraproduktiv in Anbetracht der nicht favorisierten Sattelkörung im Frühjahr. Deshalb wird
    die HLP im Herbst als beste Möglichkeit angesehen. Dann würden wahrscheinlich die dreijährigen
    Hengste nach der Körung und vor der Prüfung in einen ersten Deckeinsatz gehen.

Die Diskussion soll außerdem auf den bevorstehenden Versammlungen in den Zuchtbezirken
geführt werden. Auch wenn die Entscheidung nicht leicht wird, darf sie nicht zu
lange dauern, weil der Platz im Kalender begrenzt ist durch die Körungen der anderen
Zuchtverbände. 2021 bleibt aber der alte Termin: 14. bis 17. Oktober.

Quelle: Der Trakehner, Editorial – Ausgabe März 2021